Epigenetik ist wie ein An- und Ausschalter der Gene ein- und abschalten kann. Jeder von uns kann diesen betätigen und
so "selbst" mitbestimmen, ob er gesund bleibt oder ein erhöhte Anfälligkeit für diverse Krankheiten entwickelt.
Epigenetik findet durch alle Faktoren (Einflüsse) statt, die die Aktivität von Genen beeinflussen ohne eine Veränderung innerhalb der DNA (keine Mutation = keine Änderung der Basenabfolge) zu bewirken.
Zu den Faktoren zählen Sport, Ernährung, Psyche (Gefühle), Umwelt (Klima, Stress, Strahlung, etc.) und alles andere, was einen Einfluss oder eine Auswirkung auf uns hat.
Vereinfacht gesagt, kann so jeder selbst die Aktivität seiner Gene beeinflussen und somit die innerliche (Stoffwechsel) und äußerliche (Erscheinungsbild) Ausprägung = PHÄNOTYP verändern. Der Phänotyp ist die Gesamtheit aller Merkmale (morphologisch, physiologisch, sein Verhalten) eines Organismus.
Grundsätzlich muss niemand ein Opfer seiner Genetik sein (es gibt Ausnahmen).
So hat es jeder selbst in der Hand, durch eine Änderung des LEBENSSTILS seine Gesundheit, sein Wohlbefinden und seine Leistungsfähigkeit zu steigern.
Epigenetische Veränderungen sind vererbbar und haben Auswirkungen auf die Nachkommen.
Die epigenetischen Markierungen sind im Normalfall reversibel.
Die Ernährung in der Schwangerschaft sowie im frühkindlichen Alter treiben den Prozess der Epigenetik voran und bestimmen so, ob man mit einem höheren Risiko im Laufe des Lebens Adipositas, Diabetes Typ 2 entwickelt oder gesund bleibt.
[1,2 ,4, 5, 8, 9]
Epigenetik setzt sich aus den Wörtern „EPI“ was so viel wie darüber oder oberhalb bedeutet und „Genetik“ (Beteiligung von Genen) zusammen und bedeutet damit „über den Genen“. Die unterste Stufe der Gene ist der DNA-Strang, der sich aus den vier Basen Cytosin (C), Guanin (G), Thymin (T) und Adenin (A) bildet. Die vier Basen kodieren in unterschiedlicher Abfolge z.B. CGTACGTTAGGC ein Gen. [1]
Da wir jetzt wissen, was ein Gen ist, kommen wir nun zu dem gesamten Aufbau der Genetik. Ganz unten als kleinste Einheit befinden sich die vier Basen, diese bilden aneinandergereiht einen DNA-Strang. Die DNA liegt als Doppelstrang vor und es sind immer die Basen C und G sowie T und A als konträres Paar zusammen.
In der nächsten Stufe ist die DNA um ihre eigene Längsachse verdreht (Doppelhelix) und dann um die Histone (Proteinkugeln) gewickelt. Diesen Komplex bezeichnet man als Chromatin. Aus zwei Chromatiden bildet sich ein Chromosom. Die Abfolge: Basen -> DNA-Strang -> DNA-Doppelhelix -> Chromatin (Helix um die Histone gewickelt) -> Chromoson.
Eine Methylgruppe (Ch4) wird durch Enzyme DNA-Methyltransferasen (DNMT 1, DNMT 2, DNMT 3a und 3b) an das fünfte Kohlenstoffatom (C5) eines Cytosins angebracht und somit entsteht 5-Methylcytosin.
Für die weitere Erklärung dieses Begriffes sind die CpG-Sites und die CpG-Inseln erforderlich.
Sind Bereiche auf der DNA wo sich ein Cytosin gleich neben einem Guanin befindet und nur ein Phosphat dazwischenliegt.70-90% der CpGs in somatischen Zellen sind methyliert (das sind 3-6% aller Cytosine des gesamten Genoms).
Sind Eine Region im Genom (Gesamtheit aller Gene) mit einer höheren Frequenz von CpG-Sites als im restlichen Genom. Eine CpG Insel bestehend aus ca. 200 bp (Basenpaaren) mit einem prozentuellen Anteil von CpG von 50% oder größer. Nur ca. 5% aller CpG-Sites liegen in CpG-Inseln. Cytosine in CpG-Inseln sind typischerweise unmethyliert.
Wenn ein Cytosin demethyliert oder methyliert wird, kann sich die Aktivität von einem Gen ändern. Das heißt es wird „angeschalten oder abgeschalten“. Da die CpG-Inseln im Normalfall unmethyliert sind, bewirkt eine Methylierung dort, dass die Gene an dieser Stelle nicht abgelesen werden können (gen-silencing = Stilllegung des Gens). Je nach Gen kann so eine Methylierung oder Demethylierung eine Änderung in dessen Aktivität hervorrufen.
So können Krankheiten wie z.B.: Krebs, das Metabolische Syndrom oder Alzheimer entstehen (durch eine erhöhte Methylierung in CpG-Inseln). [1, 2]
Die meisten Modifikationen treten bei den Aminosäureresten Lysin, Arginin und Serin in den Histonschwänzen auf (N-terminal). Acetyleriung ist die Anbringung einer Acetylgruppe (CO-Ch4) an die N-Stelle der vorher erwähnten Aminosäuren. Dieser Vorgang wird durch zwei Enzymgruppen reguliert. Die Histonacetyltransferasen (HATs) übertragen Acetylgruppen auf die Histone und die Histondeacetylasen (HDACs) entfernen Acetylgruppen von den Histonen.
Eine erhöhte Histonacetylierung bewirkt, dass die positive Ladung der Histone neutralisiert wird und somit das Chromatin nicht dicht gepackt (Euchromatin) ist. Dadurch wird die Affinität von der DNA zu den Histonen verringert und die Transkription (Umschreiben der Gene in Proteine) erleichtert. Vereinfacht gesagt je mehr Acetylierungen desto besser kann transkripiert werden.
Die Methylierung (Ch4- Gruppe) von den N-Stellen der Aminosäuren Lysin und Arginin bewirkt genau das Gegenteil. Das heißt, dass durch die Methylierung das Chromatin dichter wird (Heterochromatin) und somit die DNA nicht umgeschrieben werden kann (eine Transkription kann nicht stattfinden) = Inaktivierung. Für die Methylierung sind die Enzyme Histonmethyltransferase (HMTs) und Histondemethylase (HDMs) verantwortlich. [1, 2]
Hier gibt es einen kleinen Überblick über das weitumfassende Thema. Micro-RNA‘s sind nicht kodierende Basenabfolgen und beeinflussen die Genexpression. Die mRNA’s sind nicht kodierend, weil sie keinen Kode für Proteine enthalten, quasi die „Junk-DNA“. Trotzdem werden ihr viele wichtige regulatorische Wirkungen wie DNA-Prägung, X-Chromoson-Deaktivierung, Zellproliferation (Zellteilung), Differenzierung (Aufgabe der Zelle) und Apoptose (programmierter Zelltod) zugesprochen. [1, 2]
Durch diese drei bekannten Mechanismen der Epigenetik: 1.DNA-Methylierung, 2.Histon-Methylierung, -Acetylierung, 3.Micro-RNA’s (mi-RNA) wird festgelegt, ob ein Gen aktiv oder inaktiv ist.-> Die Genregulation steuert die Genexpression. Das bedeutet, dass wenn ich die Aktivität der Gene reguliere, steuere ich somit z.B. die Menge der Produkte (Proteine) die produziert werden.
Den Lebensstil welchen wir wählen hat Einfluss auf unsere Gene und diese haben wiederum Einfluss darauf ob wir gesund bleiben oder eine Krankheit wie Krebs, das Metabolische Syndrom oder Alzheimer entwickeln. So bleiben wir durch Sport, eine ausgewogene Ernährung, positive Einstellung und ein wohlgesinntes Umfeld wahrscheinlicher gesund als ohne diese Faktoren.
Es ist möglich „negative“ epigenetische Veränderungen wieder rückgängig zu machen.
Epigenetik kann eine Spirale nach oben aber auch unten sein und wie schon das alte Sprichwort besagt:
und somit kann man auch sagen:
Eineiige Zwillinge
Eineiige Zwillinge die von Geburt an die selbe Genetik (Genotyp) besitzen, sind anfangs im Alter von 3 Jahren epigenetisch nicht zu unterscheiden. Zwillingspaare, die älter (50 Jahre) sind, lassen sich sehr wohl epigenetisch unterscheiden. Sie weisen unterschiedliche Methylierungen (Fig.2) und Acetylierungen auf.
So zeigt auch dies, dass Menschen mit dem identen Genotyp durch den Lauf des Lebens und auf welche Art und mit welchem Stil dieses geführt wurde einen unterschiedlichen Phänotyp aufweisen. Die Unterschiede hängen davon ab, wo der eine Zwilling gelebt hat, wie er sich ernährt hat, ob er Sport betrieben hat und so kann der eine adipös geworden sein, an Diabetes Typ 2 leiden und der andere top fit sein. [3]
Obwohl zwei Remethylierungen (demethyliert und dann wieder methyliert, = Neuprogrammierung):
1.die Keimzellen bei ihrer Reifung zu Spermien und Eizellen
2.im frühen Stadion des Embryos, nach der Fertilisation (Befruchtung) stattfinden, können manche Sequenzen dieser Neuprogrammierung entkommen.
So findet ein epigenetisches Erbe statt damit z.B.: die Nachkommen besser an die Umgebungsbedingungen wie Klima oder Nahrungsangebot angepasst sind.
Natürlich kann dieser Transfer von Informationen über Generationen durch nichtgenetische Änderung auch negativ sein. Dies zeigt die sich stark erhöhende Korrelation zwischen vererbbarer Epigenetik und den heutigen immer präsenter werdenden Krankheiten, die wahrscheinlich durch Fehlernährung, Umweltschadstoffe oder psychischen Stress hervorgerufen werden. [4, 5]
Durch eine Unter- oder Überernährung in der Schwangerschaft sowie im frühkindlichen Alter beginnt eine epigenetische Fehlprogrammierung.
Der Begriff „Thrifty Phenotype Hyphothesis“ zu Deutsch „sparsamer Phänotyp“ wurde von Barker 1992 eingeführt. Durch eine Unterernährung in den verschiedenen Stadien der Schwangerschaft entwickelt der Fetus Mechanismen um das Minderangebot zu kompensieren. Damit die überlebenswichtigen Organe (Gehirn, Herz, Leber, …) sich normal entwickeln können wird im Längenwachstum eingespart. Dies bewirkt eine epigenetische Fehlprogrammierung und bereitet den Fetus auf eine Umwelt mit einem geringen Nahrungsangebot (niedrige Kalorienzufuhr) vor, damit dieser in solch einer Umgebung überleben kann.
Das wäre alles nicht so schlimm, jedoch in einem Umfeld mit einem unbegrenzten Nahrungsangebot, wie es heutzutage bei uns der Fall ist, hat dies ungünstige Auswirkungen. Diese Kinder haben zwar bei der Geburt einen geringeren Fettanteil und eine reduzierte Körpergröße als im Vergleich mit Gleichalten, doch haben im späteren Lebensjahren dann einen erhöhten Körperfettanteil (vor allem viszeral = Eingeweidefett; erhöhtes Eingeweidefett wird mit Krankheiten assoziert).
Ein geringes Geburtsgewicht korreliert (Fig.3; erhöhter Odds-Ratio) mit erhöhtem Auftreten von Diabetes Typ 2 und dem Metabolischen Syndrom im erwachsenen Alter. [6, 7, 8,]
Die „Dutch Famine Study“ zeigt, dass die Kinder von Frauen, die währen einer Hungersnot schwanger waren metabolische Langzeitfolgen haben. Bei einer Energieunterversorgung im ersten Trimester ist eher der Fettstoffwechsel und im letzten Trimenon der Glukosestoffwechsel im späteren Leben betroffen. [6, 7, 8]
Das Überangebot von Energie während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Übergewicht des Fötus bei der Geburt. Dies kann bei der Geburt selbst als auch im späteren Leben zum Risiko werden. Die Steuerung von Hunger und Sättigung wird so beeinträchtigt, dass die Aktivität der anorexigenen Regelzentren (Sättigung) zurückgeht und die der orexigenen (für Hunger) sich erhöht. Betroffen ist das Sättigungshormon POMC (Proopiomelanocortin). POMC-Gen zeigt eine Hypermethylierung, was eine Inaktivierung bewirkt. So hat man weniger POMC und dadurch mehr Hunger und folglich entwickelt sich Übergewicht. [7, 9]
Egal ob Unter- oder Überernährung, beide haben negative Auswirkungen und wie bei den meisten Dingen im Leben ist auch hier der gesunde Mittelweg am besten.
Eine zu hohe Proteinzufuhr im frühkindlichen Alter steigt die Konzentration von bestimmten Aminosäuren im Plasma. Dies folgert in einer erhöhten Insulinfreisetzung und gesteigerten Adipozyten-Ausbildung, was wiederum eine Gewichtszunahme und die Aktivität der Fettzellen fördert und im Übergewicht endet. Eine geringere Proteinzufuhr im Säuglingsalter senk vermutlich ein späteres Adipositasrisiko. [10]
Lieraturverzeichnis:
1. SHANKAR, Eswar, et al. Dietary phytochemicals as epigenetic modifiers in cancer: promise and challenges. In: Seminars in cancer biology. Academic Press, 2016. S. 82-99.
2. HOLLIDAY, Robin. Epigenetics: a historical overview. Epigenetics, 2006, 1. Jg., Nr. 2, S. 76-80.
3. FRAGA, Mario F., et al. Epigenetic differences arise during the lifetime of monozygotic twins. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 2005, 102. Jg., Nr. 30, S. 10604-10609.
4. JABLONKA, E. Epigenetic variations in heredity and evolution. Clinical Pharmacology & Therapeutics, 2012, 92. Jg., Nr. 6, S. 683-688.
5. REIK, Wolf; DEAN, Wendy; WALTER, Jörn. Epigenetic reprogramming in mammalian development. Science, 2001, 293. Jg., Nr. 5532, S. 1089-1093.
6. HALES, C. Nicholas; BARKER, David JP. The thrifty phenotype hypothesis. British medical bulletin, 2001, 60. Jg., Nr. 1, S. 5-20.
7. https://www.aerzteblatt.de/pdf/109/40/a1986.pdf 03.05.2017
8. HEIJMANS, Bastiaan T., et al. Persistent epigenetic differences associated with prenatal exposure to famine in humans. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2008, 105. Jg., Nr. 44, S. 17046-17049.
9. LEHINGUE, Yves. The European Childhood Obesity Group (ECOG) project: the European collaborative study on the prevalence of obesity in children. The American journal of clinical nutrition, 1999, 70. Jg., Nr. 1, S. 166s-168s.
10. LILLYCROP, Karen A.; BURDGE, Graham C. Epigenetic changes in early life and future risk of obesity. International journal of obesity, 2011, 35. Jg., Nr. 1, S. 72-83.